TAGUNG
Am 14. April 2023 fand an der Universität Vilnius die traditionelle Studierendentagung „Wissenschaftliche Tagung der Germanistikstudierenden 2023: Sprache und Literatur“ statt.
ABSTRACTS DER VORTRÄGE
Julius Barzdaitis, Bachelorstudium, Universität Vilnius, Litauen:
Gegen Eindeutigkeit: Das Bild des Menschen im Roman von Juli Zeh „Über Menschen“
In ihrem 2021 erschienenen Roman „Über Menschen“ setzt sich Juli Zeh mit aktuellen Fragen der Gegenwart wie dem Coronavirus, politischen Spannungen und dem StadtLand-Konflikt auseinander. Die Aktualität der im Roman angesprochenen Themen hat dazu beigetragen, dass das Werk sofort nach seinem Erscheinen auf die deutsche Bestseller-Liste gelangte. Im Mittelpunkt des Romans stehen die alltäglichen menschlichen Beziehungen, die im Kontext der regen politischen Debatte thematisiert werden. „Über Menschen“ hebt zwei mögliche Vorgehensweisen des Zusammenseins hervor. Im Vortrag wird der Versuch unternommen, die zwei im Roman geschilderten Wege explizit zu machen und zu analysieren. Für diese Zwecke wird auf die theoretischen Konzepte des Neokollektivismus zurückgegriffen. Den Schwerpunkt des Vortrags bilden demnach die Ergebnisse der Untersuchung des Romans „Über Menschen“ von Juli Zeh im Hinblick auf die neokollektivistische Auffassung des Menschenbildes und dessen Vergleich mit dem im Text dargestellten Menschenbild.
Jana Doležalová, Masterstudium, Palacký-Universität Olmütz, Tschechien:
Das Motiv der Zeitreise in ausgewählten Romanen von Oliver Henkel
Dieser Beitrag ist dem Thema Zeitreise und alternativweltgeschichtlichen Szenarien in der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur gewidmet. Es soll eine Welt gezeigt werden, wo es sich nicht nur um Vorstellungen auf einem Blatt Papier oder im Fernsehen handelt, sondern um wahre Realität. Nach einer theoretischen Einführung in das Thema und einer kurzen Vorstellung des Autors werden für die Untersuchung vor allem zwei Romane des deutschen Schriftstellers Oliver Henkel herangezogen, nämlich Die Zeitmaschine Karls des Großen (2001) und Im Jahre Ragnarök (2009). Um ein weiteres alternativgeschichtliches Szenario aus Henkels Œuvre vorzustellen, wird zusätzlich noch mit dem Roman Kaisertag (2002) gearbeitet. In dem Beitrag wird dargestellt, wie Oliver Henkel das Motiv der Zeitreise und der Alternativwelt in seinen Romanen verwendet und verbindet. Abschließend werden die Analyseergebnisse zu den drei Texten miteinander verglichen.
Wiktoria Drobot, Bachelorstudium, Universität Warschau, Polen:
Darstellungen von Josef Mengele in der deutschsprachigen und polnischen Literatur
Das Thema meines Vortrags ist die Darstellung von Josef Mengele in der polnischen und deutschsprachigen Literatur. Der sogenannte Todesengel von Auschwitz, der an den Häftlingen grausame pseudomedizinische Experimente durchführte, ging sowohl in die Geschichte als auch in die Literatur ein. Es ist jedoch zu betonen, dass er weder als Erzähler noch eine der Figuren eines literarischen Werkes auftritt, sondern nur in den Erinnerungen der anderen Protagonisten/Protagonistinnen existiert. Mengele taucht unter anderem in dem Stück „Jubiläum“ (1983) von Georg Tabori auf – er wird in einem Gespräch zwischen zwei ehemaligen Nazis als „der arme Doktor Josef“ bezeichnet. Im weiteren Teil des Vortrags gehe ich auf Zyta Rudzkas Buch „Ślicznotka doktora Josefa“ (Doktor Josefs Schönste, 2006) ein. Die Protagonistin des Romans war als Kind mit ihrer Zwillingsschwester in Auschwitz und erinnert sich an die Zeit im Lager und an ein seltsames Verhältnis, dass Mengele zu ihr entwickelte. Die polnische Schriftstellerin wirft in ihrem Buch ein neues Licht auf Täter-Opfer-Beziehung und fragt nach den Mechanismen und Gefahren der lückenhaften Erinnerung nicht nur an die NSVergangenheit.
Ivana Grenová, Masterstudium, Palacký-Universität Olmütz, Tschechien:
Allein das reicht nicht, selbst wenn ich mich bemühe. Untersuchung ausgewählter Fokuspartikeln in Bezug auf argumentative Strukturen
Die Ausdrücke allein und selbst gehören zu denjenigen Lexemen, die über mehrere Verwendungsmöglichkeiten verfügen. Neben ‚Adjektiven‘ und ‚Adverbien‘ sind sie auch als ‚Fokuspartikeln‘ zu klassifizieren, die den Schwerpunkt dieses Vortrags bilden. Es sollten v.a. die distributionellen Besonderheiten der Fokuspartikeln allein und selbst im Vergleich zu den allgemeinen Merkmalen der Fokuspartikeln präsentiert werden. Dabei werden sowohl formale (Position und Akzentuierung) als auch semantische (Verhältnis Fokus-Fokuskonstituente; Fokusreichweite) Kriterien vorgebracht. Ferner wird auf Parallelen und Unterschiede zwischen allein und selbst eingegangen. Abschließend soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Fokuspartikeln allein und selbst als ein bestimmter Konnektortyp angesehen werden können. Dies bedeutet, dass sie relational fungieren können. Welche Art Relation sie ausdrücken, hängt jeweils von ihren Gebrauchsweisen ab, da beispielsweise allein über mehr als eine Gebrauchsweise verfügt. Die Relate (meistens in Form von Sätzen) der Konnektoren sind nicht nur Sachverhalte, sondern eben auch epistemische Minimaleinheiten oder Illokutionen, also propositionale Strukturen. Im Zusammenhang damit wird ebenso ihre Funktion als Präsuppositionsauslöser angesprochen. Die mögliche Einbeziehung der Fokuspartikeln in die Klasse der ‚Verknüpfer‘ stellt eine Neuordnung der syntaktischen Klassifikation der Konnektoren dar.
Magda Jaglewicz, Doktorstudium, Katholische Universität Lublin Johannes Paul II., Polen:
Literarische Repräsentation von Traumata in der Prosa deutschjüdischer Autorinnen der dritten Generation nach der Shoah
Im Rahmen des Vortrags wird das Dissertationsprojekt zur literarischen Repräsentation von Traumata in der Prosa deutsch-jüdischer Autorinnen der dritten Generation nach der Shoah präsentiert. Wie die Überlebenden und ihre Kinder setzen sich auch die Vertreterinnen der Enkel- und Enkelinnengeneration mit dem Thema der Judenvernichtung auseinander. An die Stelle der Rekonstruktion der Shoah und des rein historischen Erzählens treten in ihren Texten jedoch Reflexion, Fiktionalisierung und Ästhetisierung. Zudem verknüpfen die Autorinnen das Shoah-Gedächtnis mit eigenen postsowjetischen, postmigrantischen und transkulturellen Erfahrungen. Es stellt sich daher die Frage nach der Genese und Klassifizierung sowie den Darstellungsstrategien von Traumata in den ausgewählten Texten der deutsch-jüdischen Gegenwartsliteratur. Ziel des Vortrags ist die Vorstellung der bisher zu diesem Thema erzielten Ergebnisse.
Vytautė Juonytė, Masterstudium, Universität Vilnius, Litauen:
Ausdruck der Anweisung im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung der Republik Litauen: kontrastive Analyse
Das Thema des Vortrages lautet „Ausdruck der Anweisung im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung der Republik Litauen: kontrastive Analyse“. In dem Vortrag, der anhand der Masterarbeit vorbereitet wurde, geht es um den grammatischen und lexikalischen Ausdruck der Anweisung in zwei Verfassungen – in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, dem Grundgesetz, und in der Verfassung der Republik Litauen. In diesem Vortrag soll gezeigt werden, welche sprachlichen Mittel zum Ausdruck der Anweisung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung der Republik Litauen verwendet werden und welche Ähnlichkeiten und Unterschiede des Ausdrucks der Anweisung in beiden Sprachen festgestellt werden konnten. Um die Ausdrücke zu vergleichen, wurde die Methode der kontrastiven Analyse angewendet. Ziel dieser Arbeit ist es, mehr Erkenntnisse über die sprachlichen Mittel des Ausdrucks der Anweisung in der Verwaltungssprache sowie über die sprachlichen Besonderheiten der Fachsprache zu erhalten.
Jan Kij, Masterstudium, Palacký-Universität Olmütz, Tschechien:
Die deutschen Übersetzungen von Jaromír Nohavicas Liedern
In dem Vortrag werden die deutschen Fassungen von Jaromír Nohavicas Liedern untersucht, die von Frank Viehweg ins Deutsche übertragen und im Buch Solange man singt gesammelt wurden. Dieses Buch dient als textliche Grundlage der Untersuchung. Die tschechische und deutsche Version der Gedichttexte werden kontrastiert und miteinander verglichen. Berücksichtigt werden auch die persönlichen Anmerkungen von Frank Viehweg, weil gerade hierdurch der Prozess der Gedichtübersetzung möglichst detailliert und differenziert rekonstruiert werden kann. Die biographischen Angaben bieten eine andere Sicht auf die Poesieübersetzung, grundsätzliche Fragen zu Möglichkeiten der Poesieübersetzung lassen sich an dieser Stelle jedoch nicht grundsätzlich klären; die vorliegende Untersuchung kann nur exemplarisch sein. Allerdings ist es in Solange man singt auf einer Reihe von Ebenen gelungen, in der Zielsprache Deutsch vergleichbare Inhalte zu vermitteln und ähnliche Wirkungen zu erzielen wie im tschechischen Original. Wie man zu einer solchen Schlussfolgerung gelangen und mit welchen Argumenten diese gestützt werden kann, das erfährt man in diesem Vortrag.
Modestas Kraužlys, Masterstudium, Universität Würzburg, Deutschland:
Jenseitsvorstellungen im apokryphen Nikodemusevangelium
Die christliche Jenseitslehre ist ebenso alt wie der Glaube selbst und hat einen langen und umfangreichen Entwicklungsprozess hinter sich, der neben den verschiedenen Anschauungen der Christen auch das Gedankengut anderer Religionen berücksichtigte. Die vorliegende Seminararbeit ging dem Zustandekommen des christlichen
Jenseitsglaubens nach, um einen tieferen Einblick in dessen reiche Bildwelt zu gewinnen. Dafür wurde im ersten Teil der Arbeit jeweils die Geschichte der Hölle- und Himmelvorstellungen dargelegt. Im Fokus des zweiten Teils stand das apokryphe Nikodemusevangelium: ein im 4/5 Jh. entstandenes Werk, das unter anderem auch Christi Abstieg in die Hölle und spätere Paradiesfahrt beschreibt. Ziel war es, die Jenseitsvorstellungen in diesem Werk zu analysieren.
Holm Krieger, Chemnitz, Deutschland:
Franz Kafka als Komiker. Die humorvolle Seite eines düsteren Klischees
Der Vortrag beginnt mit einem kurzen Überblick über das, was von Franz Kafka bekannt ist und geht darauf ein, wie eine Autorfigur konstruiert wird (Rezeptionsgeschichte). Dabei wird vor allem auf das Konzept der „kleinen“ Literatur eingegangen und wie die konkreten Arbeits- und Lebensbedingungen Einfluss darauf genommen haben, wie Kafkas Texte interpretiert wurden. Ausgehend von diesem Konstrukt wird gezeigt, dass gegensätzliche Perspektiven – in diesem Fall die humorvolle Seite Kafkas - unterdrückt werden, obwohl diese oft ganz andere, durchaus interessante Aspekte haben können. Dabei wird kurz auf die literaturwissenschaftliche Dimension von Humor eingegangen und die absurde Brechung als elementarer Teil des Humors entwickelt. Diese absurden Brechungen lassen sich überall im Werk von Franz Kafka finden (Theatermetapher, „Auf der Galerie“), werden in diesem Vortrag aber besonders an dem Text „Schakale und Araber“ und an der wohl wichtigsten Parabel Kafkas „Vor dem Gesetz“ deutlich gemacht.
Kamilė Pavydytė, Masterstudium, Universität Vilnius, Litauen:
Kopf als Quelle der konzeptuellen Metaphern im Litauischen und Deutschen: eine vergleichende Korpusanalyse
Konzeptuelle Metaphern zeichnen sich nicht nur durch ihre komplexe innere Struktur aus, sondern dienen auch dem Menschen jeden Tag. Dank der erwähnten Strukturen, kann ein Mensch sich kognitive Modelle schaffen und viele Abstrakta unserer Welt besser erfassen. Ganz oft stehen konzeptuelle Metaphern eng mit dem Menschenkörper in Verbindung: Es ist verständlich, dass unsichtbare Abstrakta wie Liebe, Wut, Zeit oder Viren mittels unserer Körperteile besser vorstellbar sind. Man kann den Schluss ziehen, dass konzeptuelle, mit dem Körper verbundene Metaphern von Sprache zu Sprache unterschiedlich sind. Das Ziel dieser Forschung ist der Vergleich von solchen Metaphern und ihren lexikalischen Ausdrucksmöglichkeiten im Litauischen und Deutschen. Im Laufe der Untersuchung wurden 100 konzeptuelle Metaphern aus Korpora ausgewählt, die das Wort Kopf oder entsprechend galva enthalten. Es lässt sich sagen, dass Metaphern wie, z.B., EIN GEDANKE ist EIN EIGENTUM oder EIN GEDANKE ist EIN BEWEGLICHES OBJEKT in beiden Sprachen oft vorkommen, aber manche Metaphern nur für das Litauische (z.B., EIN GEDANKE ist EINE WAFFE) oder für das Deutsche (z.B., GEDANKEN sind KLÄNGE) typisch sind.
Greta Rastenytė, Bachelorstudium, Universität Vilnius, Litauen:
Die (Un)Sichtbaren: Zum Bild von Migranten im Roman von Jenny Erpenbeck ,,Gehen, Ging, Gegangen“ (2015)
Im Fokus des Vortrages steht die Analyse des Romans „Gehen, Ging, Gegangen“ von Jenny Erpenbeck, der eine einzigartige und empathische Perspektive auf die Migrationslage in Deutschland bietet. Der Roman erzählt die Geschichte von Richard, einem pensionierten Professor für klassische Philologie, der sich zu den afrikanischen Migranten in Berlin hingezogen fühlt und mit ihnen interagiert. Durch Richards Begegnungen mit den Migranten erkundet der Roman Themen wie Identität, Zugehörigkeit und die Politik der Migration in Deutschland. In dem Vortrag wird die Darstellung der verschiedenen Hintergründe von Migranten in Deutschland anhand des Romans analysiert. Dabei wird insbesondere auf die Spannungen und Widersprüche in der Einstellung der deutschen Gesellschaft zur Migration eingegangen, wie z.B. die Spannung zwischen humanitären Werten und dem Wunsch nach Erhaltung einer homogenen Gesellschaft. Darüber hinaus untersucht diese Arbeit die Herausforderungen der Integration für Migranten in Deutschland, einschließlich der Themen Sprachbarrieren, Diskriminierung, Heimweh und der Schwierigkeit, sich an eine neue Kultur anzupassen. Insgesamt bietet „Gehen, Ging, Gegangen“ eine tiefgründige und vielschichtige
Erforschung der Herausforderungen und Chancen der Migration in Deutschland. Die empathische Perspektive des Romans auf die Erfahrungen von Migranten in Deutschland ermutigt die Leser, ihre eigenen Annahmen und Vorurteile zu hinterfragen. Die Analyse des Romans liefert wertvolle Erkenntnisse, die zum laufenden Diskurs über Migration in Deutschland beitragen. Die theoretischen Grundlagen der Arbeit stellen die Werke von Müssig und Pickel (2022), Ranger (2019), Beer, Fischer und Pauli (2017), Schönwälder, Vogel und Sciortino (2004), Pfeiffer, Kleimann, Petersen und Schott (2004), Kalter und Granato (2002), Diekmann, Engelhardt und Hartmann (1993) dar.
Sebastian Schmidt, Masterstudium, Palacký-Universität Olmütz, Tschechien:
Strategien bei der Übersetzung von Fantasy-Literatur an Beispiel von deutschen und tschechischen Übersetzungen von A Game of Thrones im Vergleich mit dem englischen Original
Wir sind uns dessen vielleicht nicht einmal bewusst, aber die Übersetzung beeinflusst uns in allen Bereichen unseres Lebens, und zwar jeden von uns auf seine persönliche Weise. Wir lesen Bücher oder sehen uns Filme oder auch Reden von Staatsmännern im Fernsehen an. Die Übersetzung ist überall um uns herum. Verschiedene Sprachen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer grammatischen Strukturen, Ausdrucksmöglichkeiten und kultureller Verankerung. Manchmal verschiebt sich die Bedeutung eines Wortes oder einer Textsequenz sowohl aufgrund der individuellen Ausprägung von Methoden und Verfahren, als auch aufgrund der subjektiven Entscheidung des Übersetzers. Was sind die Besonderheiten beim Übersetzen von Fantasy-Literatur? Wo liegen mögliche Probleme aufgrund der Besonderheit dieses Genres? Dies lässt sich anhand eines Vergleichs der deutschen und tschechischen Übersetzungen von A Game of Thrones mit dem englischen Original zeigen. Der Vortrag basiert auf den Ergebnissen der im vergangenen Jahr angefertigten Bachelorarbeit.
Samu/elle Striewski, Bachelorstudium, Freie Universität Berlin, Deutschland (aktuell Austausch an der Columbia University in New York City):
Die Trans*-Verwandlung: Anerkennbarkeits(un)möglichkeiten ungeheurer Identitäten bei Franz Kafka
Mit „Recognition and Ambivalence“ (Columbia UP, 2021) treten Judith Butler und Axel Honneth (zwei der maßgeblichen Vorreiter*innen der sogenannten „Anerkennungstheorie“) in einen unmittelbaren Dialog über ihre jeweiligen Konzepte von Anerkennung/Anerkennbarkeit, Subjektivität und Macht. Beginnend mit einer kurzen Rekonstruktion dieser Debatte, wird mein Vortrag der Versuch einer Teillektüre von Franz Kafkas „Die Verwandlung“ durch die Brille dieser sozialphilosophischen Theorien sein. Die Narrative sowie die spezifische Erzählweise des Romans bzw. Autors können dadurch, so meine Argumentation, neue Perspektiven auf Themen wie Subjekttransformation und Missanerkennung geben. Am Beispiel von aktuellen politischen Debatten über trans* Identitäten zeigt meine in einen queer- und anerkennungstheoretischen Rahmen eingebettete Lektüre, warum die Komplexität des „Kampfes um Anerkennung“ von trans* Menschen nicht allein über den direkten, intersubjektiven Akt der Missachtung erklärbar ist. Vielmehr, und hier folge ich Butlers Kritik an Honneth, demonstrieren bereits die ersten Passagen der „Verwandlung“, dass der gescheiterten Prozess einer reziproken Identitätsvalidierung ein vorangehendes normatives „Feld von Intelligibilität“ impliziert. Diskursive Praktiken und Machtdynamiken, die bei Kafka durch Matrizen wie Geschlecht, Sexualität und Klasse Ausdruck erhalten, prädeterminieren also die Möglichkeitsbedingungen der Anerkennung von Gregor Samsa als Mensch, Mann, Sohn, Bruder, Angestellter, etc. Analog bestimmen ähnliche Felder der Anerkennbarkeit die strukturellen Konditionen, unter denen trans* Menschen vom Staat, von den Medien oder von ihren Mitmenschen nicht nur als trans* sondern überhaupt als menschlich anerkannt werden. Eine queere anerkennungstheoretische Lektüre Kafkas schafft somit wertvolle Perspektiven auf die hegemonialen Narrative, die unser gegenwärtiges Denken über Identitäts(miss)bildung prägen.
Adomas Taraskevičius, Bachelorstudium, Vytautas Magnus Universität Kaunas, Litauen:
Die Bedeutung von österreichischem Deutsch und Schweizerdeutsch im Deutschunterricht
Deutsch eine offizielle nationale Amtssprache nicht nur in Deutschland, Österreich, der Schweiz, sondern auch in Liechtenstein und Luxemburg. Die deutsche Sprache besteht hauptsächlich aus drei nationalen Varietäten: dem deutschen, dem österreichischen und dem schweizerischen Standarddeutsch. Sie gehören alle zur gleichen Sprache, weil sie,
linguistisch betrachtet, einander sehr ähnlich sind. Also, nicht im gesamten amtlich deutschsprachigen Raum wird ganz genau gleich Deutsch gesprochen. Diese Tatsache kann im konkreten Fall sowohl zu Missverständnissen als auch zu Irritationen führen. Eine systematische Berücksichtigung der Varietäten der deutschen Sprachen und die Vorbereitung auf die linguistischen und kommunikativen Eigenschaften in den deutschsprachigen Ländern ist von großer Bedeutung. Grundsätzlich ist es nicht Einheitlichkeit, sondern Vielfältigkeit, die Sprache zu Sprache macht, sowohl als System als auch in der Anwendung (Berend, 2005). Bisher ist es im DaF-Unterricht üblich, die Aussprache und Lexik zu unterrichten sowie das Hörverstehen zu üben, die sich ausschließlich am Hochdeutsch orientieren. Sollen zu den phonetischen, morphologischen und lexikalischen Unterschieden auch pragmatische, syntaktische, morphologische und orthographischen Unterschiede zwischen den deutschen Varietäten geschult werden? Die Frage ist nur auf welchem Niveau und wie intensiv damit begonnen überhaupt werden kann. Als Argument für die Behandlung von Varietäten der deutschen Sprache, auch dialektalen, dienen auch die Festlegungen, die im europäischen Referenzrahmen vorgesehen sind und die ab Stufe B2 Varietätenkompetenz einfordern. Der Vortrag geht den Fragen nach, welche Fertigkeiten in Bezug auf Varietäten der deutschen Sprache geschult werden sollen, welche Fertigkeiten und wie oft diese - nach Angaben der Deutschlehrer*innen in Litauen im Rahmen der durchgeführten Umfrage - tatsächlich im DaF-Unterricht vermittelt werden.